Online-Zeitzeugengespräch mit der Holocaust-Überlebenden Eva Franz
Das Theodor-Schwann-Kolleg ist seit fast sechs Jahren aktives Mitglied im Schülernetzwerk „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ und hat sich anlässlich der Internationalen Wochen gegen Rassismus (15.-28. März 2021) entschieden, eine Online-Zeitzeugenveranstaltung zu organisieren. Corona hat zwar ein direktes, persönliches Kennenlernen zwischen Zeitzeugin und Studierenden verhindert, nicht aber die virtuelle Solidarität und Empathie der Schulgemeinschaft.
Ganz im Sinne des diesjährigen Mottos „Solidarität. Grenzenlos“ hat sich die SoR-Projektgruppe festgelegt, am 22. März 2021 mit Eva Franz sprechen zu wollen, die der Minderheit der Sinti und Roma angehört und im Alter von fast drei Jahren ins Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert wurde.
Unterstützt wird das TSK durch Sophia Bernegger (Georg-von-Vollmar-Akademie e.V.) und Birgit Mair (ISFBB), die die Zoom-Veranstaltung moderiert. Fast achtzig Studierende aus unterschiedlichen Semestern von Realschule und Gymnasium nehmen zusammen mit ihren Geschichtslehrerinnen Anna Bartel, Stefanie Breyther, Stephanie Ortmann und Monika Perez ebenso an der Veranstaltung teil wie der engagierte Schulpate des TSK, Hans Christian Markert.
Eva Franz wurde am 31. August 1940 in Gablonz an der Neiße im Sudetenland (heute Tschechien) geboren. Von dort wurde sie 1943 zusammen mit ihren Eltern Anna und Emil Christ und ihrer acht Jahre älteren Schwester nach Auschwitz-Birkenau gebracht. Auch die Familie ihres Vaters in Fulda fiel der „Säuberung“ zum Opfer: 36 Familienangehörige, darunter auch Kinder, wurden in Lastwagen von der SS abgeholt. Nur Eva Franz’ Großmutter blieb zurück, denn sie wurde als „arisch“ eingestuft. Deren elf Kinder und ihr Mann starben.
Frau Franz erzählt, dass ihr an die Zeit in Auschwitz-Birkenau vor allem einzelne Bilder im Gedächtnis geblieben sind, wie beispielsweise die Tätowierung der Häftlingsnummer: „Das hat sehr weh getan, ich war sehr klein und habe nicht still gehalten.“ Die Nummer 4167 trägt sie noch heute am linken Arm. Auch die großen Schornsteine der Krematorien, aus denen der Rauch kam, sieht sie noch vor sich: „Ich sagte zu meiner Mama: ‚Schau mal, da ist Feuer.’ Und meine Mama antwortete: ‚Da wird Brot gebacken für uns’.“ Für die Zuhörer wird hier besonders deutlich, wie sehr die Mutter ihr Kind vor den schrecklichen Geschehnissen bewahren wollte und wie sehr Frau Franz noch heute ihre Mutter liebt und vermisst.
Weiter berichtet die Zeitzeugin den sichtlich bewegten Zuhörern, dass sie vor allem durch die späten Erzählungen ihres Vaters von den schrecklichen Bedingungen im Lager erfuhr: hunderte Stockbetten in einer Baracke, Kälte, Dreck, wenig Essen. Ihre Schwester Franja starb aufgrund der schlechten Bedingungen. Der verzweifelte Vater schlich sich nachts zur Baracke eines Häftlings, der in der Küche arbeitete und ihm Essen zusteckte. „Es ging ein paar mal gut – dann haben sie ihn erwischt“, sagt Eva Franz. Am nächsten Tag wurde ihr Vater auf dem Appellplatz ausgepeitscht. Beim Erzählen laufen Eva Franz oft Tränen über die Wangen: „Die Narben hat er mitgenommen, bis ins Grab.“
Eva Franz und ihre Mutter kamen später ins Frauen-KZ nach Ravensbrück und dann ins KZ Bergen-Belsen, wo Eva Franz eines Tages beobachtete, wie ihre Mutter bei der Arbeit einfach umfiel. „Ich sagte zu ihr: ‚Mama, mach deine Augen auf, lass mich nicht alleine’.“ Doch die Wachsoldaten trugen ihre tote Mutter fort und eine Vertraute kümmerte sich fortan um Eva Franz. Erst nach der Befreiung 1945 wurde das Kind wieder mit dem Vater vereint und ging nach Fulda.
In der sich anschließenden Diskussionsrunde stellen die Studierenden viele Fragen und möchten mehr über die Selektionen, über das „Zigeunerlager“ oder Frau Franz´ Beweggründe zur Zeitzeugenarbeit erfahren: „Ich möchte, dass diese Zeit nie wieder kommt. Dass ihr das nie miterleben müsst und schlauer seid, als wir es waren.“
Wir bedanken uns bei allen Beteiligten für eine sehr emotionale und lehrreiche Veranstaltung.
Fotos: Frau Mair und Frau Breyther, Text: Frau Breyther